Sonntag, 17. Januar 2010

McCalman, Iain, Der letzte Alchemist, Insel Verlag: Frankfurt/M. 2004, Festband, SU, 336 S., ISBN 3-458-17199-1, 22,90 €.


Guiseppe Balsamo, (1743–1795), besser bekannt unter seinem angenommenen Namen Comte Alessandro di Cagliostro, war sicherlich nicht nur für die an Magie Interessierten eine der schillerndsten Persönlichkeiten des 18. Jahrhunderts. In einem Zeitalter der bürgerlichen Emanzipation und vor allem der Aufklärung war er eines der irrationalen Gegengewichte. Als Begründer der ägyptischen Freimaurerei, als Alchemist, Seher, Schatzsucher, Wunderheiler, Prediger, Prophet und Betrüger gewährte man ihm an den Höfen Europas Eingang, wo er sich zahlreiche Freunde und Feinde schuf.
Aus ärmsten Verhältnissen stammend, lernte der Sizilianer früh, sowohl mit seinen medizinischen Kenntnissen als auch mit kleinen Gaunereien über die Runden zu kommen. Es sollte ein äußerst unruhiges und bewegtes Leben folgen. Phasen des luxuriösen Lebens bei reichen Gönnern im Kurland (heute Lettland), St. Petersburg, Warschau, Straßburg oder Basel wechselten immer wieder mit Phasen der Flucht.
So musste Cagliostro beispielsweise das von Katharinas II. beherrschte St. Petersburg überstürzt verlassen, nachdem er sich dort aufgrund seiner medizinischen Erfolge die Feindschaft der Hofärzte zuzog und sich zudem damit suspekt machte, die Freimaurerei in Russland reformieren wollte. Auch seine Anhänger unter den russischen Adeligen konnten ihm keinen Schutz gewähren und kurz nach seiner Abreise verbot Katharina II. die Freimaurerei.
Cagliostro reiste als Eingeweihter der mystischen ägyptische Freimaurerei und Alchemist weiter. Ausgehend vom Ritus der Strikten Observanz des von Hundt, in den Cagliostro initiiert war, entwickelte er seine eigene Form mystischer Freimaurerei, nach eigenen Aussagen auf Geheiß eines Geheimen Oberen, des Großkophta. Nach dem Tod des Freiherrn von Hundt fiel die Idee einer mystischen Maurerei auf fruchtbaren Boden und Cagliostro vermochte es, sich selbst als Großkophta in Szene zu setzen. Daneben gründete er auf jeder Station seiner Reise Hospitäler, wo er kostenlos Arme heilte, hielt spiritistische Séancen ab, forschte in den alchemistischen Laboren seiner Gönner und setzte nicht selten die Reize seiner Gattin Serafina ein, um seinen Einfluss zu steigern. Dass diese ihn schlussendlich verriet und in geistiger Umnachtung endete, ist nur eine der tragischen Facetten dieser faszinierenden Lebensgeschichte.
Auch am französischen Hof machte sich Cagliostro unmöglich. Als Alchemist und Arzt in der Gönnerschaft des Kardinals de Rohan verlebte er einige erfolgreiche Jahre in Straßburg, bevor er in die Halsbandaffäre, einen der bedeutendsten Skandale des französischen Hofes im 18. Jahrhundert, verwickelt wurde. Als Reaktion ließ ihn das französische Königspaar, Louis XVI. und Marie Antoinette, in der Bastille einkerkern. Nach seinem Freispruch folgte ein Debakel in England, wo er sich den Journalisten Théveneau de Morande zum Feind machte, der ihn dann auch von der Insel vertrieb. Nicht nur de Morande, auch Giacomo Casanova zählte zum illustren Kreis leidenschaftlicher Feinde; zudem brachte der Sizilianer auch den Papst gegen sich auf.
Ohne zu viel verraten zu wollen: Seine einflussreichen Gegner und der Verrat durch seine Vertrauten waren es dann auch, die ihn am Ende zu Fall brachten.
Der an der Universität von Sydney lehrende Kulturhistoriker Iain McCalman stellt sich in seiner lesenswerten Biographie des Balsamo weder auf die Seite der Kritiker noch auf die der bedingungslosen Bewunderer. Mit sachlicher Feder zeichnet der Autor kenntnisreich den wechselvollen Lebensweg des Cagliostro nach, von der Geburt in ärmlichen Verhältnissen in Palermo bis hin zu dessen Tod in der von Papst Pius VI. angeordneten Kerkerhaft.
Dabei liest sich diese spannende Biographie, wie sollte es anders sein, wie ein Abenteurerroman. Und ganz folgerichtig endet das Buch mit der Betrachtung des Nachwirkens Cagliostros in Kunst und Kultur. Schon Zeitgenossen verfassten Biographien des Grafen, es geht die Vermutung, dass Emanuel Schikaneder die Figur des Sarastro in der Zauberflöte dem Cagliostro zumindest angelehnt hat, Johann Strauß widmete diesem eine Operette, Goethe und Schiller jeweils eines ihrer Werke und dann fand Cagliostro auch noch Aufnahme in die Popkultur: Hier findet er sich beispielsweise in der Illuminatus-Trilogie von Shea und Wilson und in den Comics um den Superhelden Spawn.
Das würde Cagliostro sicher über alle Maßen freuen, denn gemäß seiner Prophezeiung ist er auf diese Weise unsterblich geworden.