Sonntag, 3. Januar 2010

Frenschkowski, Marco, Die Geheimbünde, Marix Verlag: Wiesbaden 2007, Festband, SU, 256 S., ISBN 978-3-86539-926-7, 5,00 €.


Nachdem bereits ein Buch von Marco Frenschkowski, Heilige Schriften der Religionen und religiösen Bewegungen, im Rahmen der Chela-Rezensionen vorgestellt wurde, folgt hier nun die Besprechung eines zweiten Bandes aus der Feder dieses Autors. Wie schon der erste Band erschien der Titel Die Geheimbünde. Eine kulturgeschichtliche Analyse als Teil der Reihe marixwissen, in der der Marixverlag in Wiesbaden mit der Frankfurter Rundschau zusammen arbeitet.
Der Gegenstand dieses Buches, Geheimbünde, ist nun nicht eben ein wenig besprochenes Phänomen. Eine Vielzahl an Sachbüchern thematisiert derartige Gesellschaften, ganz abgesehen von belletristischen Bearbeitungen. Meist bestechen die entsprechenden Publikationen zumindest im Bereich Sachbuch durch die Vermehrung bereits bestehender Mythen, durch Neuschöpfung oder Neukombination unhaltbarer Thesen. Hier nun ist ein anderer Weg eingeschlagen, dieses fraglos faszinierende Thema zu bearbeiten.
Der evangelische Theologe Frenschkowski unternimmt zunächst einmal den Versuch einer Typologisierung von Geheimbünden. Dazu bedient er sich in erster Linie phänomenologischer Gesichtpunkte und kommt so zu acht kulturhistorischen Typen von Geheimbünden. Zu den Gruppen, die graduell verschieden unter dem Siegel der Verschwiegenheit arbeiten (Arkandisziplin), gesellen sich beispielsweise solche, die durch allgemeine Projektionsleistung lediglich als Geheimgesellschaft wahrgenommen werden oder aber solche, die sich als literarische Fiktion erweisen. Neben einer Einteilung in imaginierte und real existierende Gruppen macht der Autor eine zweite Polarität der Wahrnehmung von Geheimbünden aus: Er unterscheidet sie in weltverschwörerisch-gefährliche einerseits und aufklärerisch-erzieherische andererseits. So ergibt sich ein Raster, das als Arbeitgrundlage dienen kann und durch das sich die entsprechenden Gesellschaften fassen lassen. Greifbar werden damit nicht nur Gruppen wie Rosenkreuzer, Freimaurer o.ä., sondern auch die Mafia, chinesische Triaden, die japanische Yakuza oder der Ku-Klux-Klan. Geheimgesellschaft wird durch Frenschkowski also in der breitmöglichsten Auslegung verstanden.
Damit steigt die Anzahl der betreffenden Gruppen, so dass hier eine Auswahl notwendig wird, um dem Gegenstand in einem Buch auf 256 Seiten gerecht zu werden. Dabei strukturiert der Autor sein Material in erster Linie in historischer Ordnung nach der Zeit des Auftretens bestimmter Gruppen und ergänzt die Betrachtung, jeweils wo das möglich ist, durch den Nachvollzug der Geschichte der Gruppe oder aber der zentralen konstituierenden Motive. So findet sich beispielsweise im Anschluss an die antiken Mysterienkulte das frühe Christentum, das in einzelnen Aspekten in deren Nachfolge gesehen werden kann. Natürlich sind die mittelalterlichen Templer und ihr Nachwirken genauso thematisiert wie das Phänomen von Zauber- und Hexensekten im Spätmittelalter, die vom Autor als Konstruktion behandelt sind. An Rosenkreuzer, Freimaurer und Illuminaten schließt sich eine Analyse der gesellschaftlichen Projektionsleistung an, wie sie sich in der beispielhaft ausgesuchten Taxilaffäre verdichtet.
Neben den jüngeren Gründungen von Golden Dawn und O.T.O. behandelt der Autor Gruppen wie die Thule- oder die Vril-Gesellschaft, denen u.a. auch politische Zielsetzungen eigen waren. Ganz anders stellen sich hingegen Triaden und Yakuza dar, in deren Geschichte und Struktur Frenschkowski kurz einführt. Weitere Themen sind die nach dem 2. Weltkrieg entstandenen Bünde und die mit diesen verbundenen Verschwörungstheorien, wie die P2 und die Bilderberger. Das Opus Dei ist angeführt, bevor auch neue religiöse Bewegungen Aufnahme in das Buch finden, wie die Scientology Church und die mormonischen Daniten.
Dabei gerät auch der Umstand nicht aus dem Blickfeld, dass aus Uninformiertheit und Projektion schnell offene Feindschaft und Verfolgung werden kann, unter der verschiedene Gruppen litten und leiden. Dem entgegen zu wirken scheint dabei eines der Anliegen dieses Buches zu sein.
Ein anderes ist sicherlich die Darbietung des theoretischen Ansatzes, der Versuch einer Klassifizierung von Geheimgesellschaften. Die sinnvolle, wenngleich fast ausufernde Weitung des Begriffes Geheimbund ist dabei sowohl eine Stärke als auch eine Schwäche dieses interessanten Werkes. Die notwendige Verkürzung und eine daraus an vielen Stellen resultierende oberflächliche Behandlung versucht der Autor durch weiterführende Literaturhinweise wettzumachen, die an jedes Kapitel anfolgen. Meist bleibt Frenschkowski wissenschaftlich nüchtern und distanziert in seiner Betrachtung, wie es für eine solche, dann doch durchaus brauchbare Einführung Voraussetzung sein sollte. Geschmälert wird dieser Gesamteindruck einzig durch unverständliche und unnötige Ausfälle gegen Franz Sättler, den Begründer der Andonistischen Gesellschaft. Hier glaubt man sich im ersten Moment zu verlesen, was leider nicht der Fall ist. Derartige Polemik hat in einem solchen Buch nichts zu suchen.
Insgesamt bleibt das Buch von Marco Frenschkowski aber, trotz erwähnter Einschränkungen, eine gut les- und hinreichend nutzbare Einführung mit interessanter theoretischer Grundlage in das Phänomen Geheimgesellschaft, die zudem spektakulär preisgünstig ist.