Donnerstag, 31. Dezember 2009

Altea, Rosemary, Die Kraft der Seelenzeichen, Fischer Verlag: Frankfurt/Main 2006, TB, 272 S., ISBN 3-596-16750-7, 8,95 €.


Es gibt ja ziemlich viele Systeme, in denen der einzelne Menschen auf meist eine von mehreren Grundqualitäten zurück geführt werden kann. Das dient im besten Fall der Selbsterkenntnis, kann aber auch die Aufgabe in einen fatalen Determinismus bedeuten. Abgesehen von den Systemen, die mit fest definierten Einzelkategorien arbeiten, gibt es natürlich auch traditionelle Lehren, die dem menschlichen Wesen und seiner kosmischen Prägung mit einem sehr differenzierten Aspektgemenge zuleibe rücken. So beispielsweise in den verschiedenen astrologischen Schulen.
Das System von Rosemary Altea ist hingegen nicht so kompliziert wie die astrologischen Betrachtungen und ermöglicht nach kurzer Einarbeitung, bestimmte Charakterzüge und Reaktionsmuster einem sogenannten Seelenzeichen zuzuordnen. Diese Zeichen, von denen es 13 gibt, stellen eine Differenzierung von den fünf Grundenergien dar, aus denen der Seelencluster bestehen soll. Diese basalen Energien sind Feuer, Erde, Wasser, Luft und Schwefel. Jeder Mensch kann sich nach vorliegendem Muster also erst einmal einem der Elemente zuordnen, wobei letzterer Begriff bei Altea anders zur Verwendung kommt als in der klassischen Elementenlehre. Ist das geschehen, sind aus jeder der Grundenergien drei weitere Ausprägungen abgeleitet, die den Ausrichtungen (oder energetischen Fließrichtungen) introvertiert, zentral und extrovertiert entsprechen. Kompliziert? Für das Element Feuer sähe das beispielsweise so aus: Die Grundenergie ist also das Feuer, in extrovertierter Form spricht Altea von einem Strahlenden Stern, die zentrale Form ist ein Träumender, die introvertierte der Rückblickende. In dieser Form werden also Feuer, Erde, Wasser und Luft behandelt und jedem Aspekt sind jeweils Narzissenarten zugeschrieben. Hört sich vielleicht erst einmal merkwürdig an, liegt aber an der Form der Offenbarung.
Hierbei spielt der geistige Führer der Autorin eine große Rolle, ein längst verstorbener Indianer, der auf den Namen Grauer Adler hört. Neben den Jenseitskontakten, die sie professionell für viele Menschen herstellt, steht die medial arbeitende Altea seit vielen Jahren mit dem Indianer in Kontakt und er führte sie stückweise an die Lehre von den Seelenzeichen heran.
Einen Sonderfall in diesem System stellt das Element Schwefel dar. Hier wird die Beschreibung okkult und weicht von dem ansonsten klaren Pragmatismus ab. Was zum kritischen Teil führt. Die Schwefelenergie scheint keine so häufige Form von Wesensenergie zu sein; eine differenzierte Fließrichtung, wie bei den anderen Elementen (introvertiert, ...) gibt es schon, allein die Beschreibung bleibt plakativ: diese Energie ist dunkel, Licht und Wahrheit zerstörend und hinterhältig. So ist sie allein von Zerstörung angezogen und auch ihr Handeln ist dementsprechend. Leider lässt sich Altea nicht differenzierter aus, sondern verschiebt das auf ein nächstes Buch. Den Widerwillen, diesen Aspekt überhaupt zu besprechen, verhehlt sie nicht; das steigert sich bis zur Behauptung, diese Energie sei nicht von Gott. Ohne die Theodizee wieder aufleben zu lassen, wird der Standpunkt der Autorin klar, während Menschen, die mit einer solchen Seele, respektive Mensch zu tun haben, an dieser Stelle von den Ausführungen nicht weiter profitieren können. Vielleicht im nächsten Band.
Im Text ist dann noch ein weiteres Buch zu einem Thema angekündigt, welches Altea sehr am Herzen zu liegen scheint. Das ist das Auffinden des Seelenzeichens von Haustieren, das im vorliegenden Werk ansatzweise an Katzen, Hunden und Pferden durchexerziert wird.
Einen weiteren großen Teil des Buches nimmt ein Partnerschaftskompatibilitätsschlüssel ein, in dem jeder ablesen kann, welche Energie zu seiner eigenen passt und welche nicht. Auch hier verrät die Autorin viel von ihren persönlichen Lebenserfahrungen mit Partnern und führt die aufgetretenen Konflikte auf ihr Modell von Seelenzeichen zurück.
Alles in allem ist die Seelenzeichenlehre eines der besseren von vielen neueren energetischen Klassifikationsschemata, das, mit den angesprochenen Einschränkungen, gut und schnell praktikabel, ausreichend umfassend ausdifferenziert ist und so sicher auch der Selbsterkenntnis dienlich sein kann.

Allen, John L., Opus Dei. Mythos und Realität, Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh 2006, 495 S., geb. mit SU, ISBN 3-579-06936-5; 24,95 €.


Das Werk Gottes, Opus Dei, ist eine der meistdiskutierten Gruppen innerhalb des Spektrums katholischer Glaubenszugehörigkeit. Nun ist das Opus Dei Thema eines umfangreichen Werkes geworden, verfasst vom katholischen Journalisten John L. Allen, dem Vatikan-Korrespondenten des National Catholic Reporter und Vatikan-Experten für CNN.
Die 1928 vom Spanier Josefmaria Escrivá de Balaguer gegründete Gruppe zeichnet sich durch eine wechselvolle Geschichte aus, die nicht frei von Irrungen und entsprechenden Anfeindungen ist.
Zentraler Gedanke des Opus Dei, vom Gründer oder „Vater“ durch eine göttliche Vision empfangen, war und ist die Idee einer Organisation, in der katholische Laien und Priester, Männer und Frauen derselben Berufung nachkommen können. Das tiefe Empfinden der Berufung ist zentral und sicher nicht für Jeden praktisch umsetzbar, schon gar nicht so konsequent, wie es das Opus Dei versucht. Diese Berufung besteht in der Annahme der grundlegenden Ideale ihres Gründers: Jeder ist zur Heiligkeit berufen und verkörpert die Gotteskindschaft. Die Erreichung der Heiligkeit wird nicht hinter Klostermauern gesucht, wie das bei Ordensgemeinschaften der Fall ist, sondern mitten in der Welt. Als Mittel dazu dient in erster Linie die Heiligung der Arbeit. Die katholischen Karma-Yogis verstehen somit auch die geringste alltägliche Verrichtung als Gebet. Daneben gehören dazu mehrfach täglich Gebets- und Einkehrphasen, eine Meditation über einen spirituellen Text, der tägliche Besuch einer Messe, eine gründliche tägliche Gewissenserforschung und die wöchentliche Beichte. Das Opus Dei kann also als eine konservative katholische Organisation gesehen werden, kirchenpolitisch eher rechtslastig und dem Papst bedingungslos ergeben.
Unterteilt in die Kategorien Supernumerarier, Numerarier, Hilfsnumerarier, Assoziierte, Priester (Priestergesellschaft vom Heilige Kreuz) und Mitarbeiter, gehören ungefähr 86.000 Menschen dem Werk an (2003), mit sehr zögerlichem Wachstum. Ausgiebige Schulungen in Glaubensfragen sind für alle Mitglieder obligatorisch und unterliegen der Aufsicht eines „Leiters“. Zu den oben genannten Verpflichtungen für die Mitglieder gehören bei den Numerariern, die ungefähr 20 % der Gesamtzahl ausmachen, das Wohnen in einem Opus Dei-Zentrum, das zweistündige Tragen eines Bußgürtels (cilicium) um den Oberschenkel sowie der Gebrauch der „Disziplin“, einer kleinen Geißel aus Schnüre, die einmal wöchentlich für die Dauer eines Gebets verwendet werden soll. Allen hinterfragt diese Praxis und kann glaubhaft darlegen, dass es sich bei der körperlichen Abtötung um eine Methode handelt, die in verschiedenen katholischen Ordensgemeinschaften nach wie vor als sinnvoll angesehen und praktiziert wird.
Der Vergleich mit Ordensgemeinschaften bietet sich häufig an, obwohl das Opus Dei eine andere rechtliche Form einnimmt, die erst seit dem II. Vatikanischen Konzil existiert. Beim Werk handelt es sich um eine Personalprälatur, was sicherstellt, dass die heterogene Zusammensetzung der Mitglieder und ihr Wirken in der Welt so bestehen kann. Vergleiche, mit den Jesuiten beispielsweise, sind interessant, wenn es zu betrachten gilt, welchen Einfluss das Opus Dei im Vatikan hat. Da wird deutlich, mit Name, Position und Gesamtzahl aufgeführt, dass eine übersteigerte Vorstellung des Wirkens hinter den Kulissen wohl eher dem Bereich der Mythen zuzuordnen ist. Als Escrivá durch Johannes Paul II. 1992 selig und 2002 heilig gesprochen wurde, kam es zu weiteren Mutmaßungen über einen geheimen Einfluss des Opus Dei im Vatikan. All dem wird nachgegangen und zudem kommen immer wieder populäre Kritiker wie die Betreiber der Webseite „Opus Dei Awareness Network“ oder aber Mariá del Carmen Tapia ausführlich zu Wort.

Die reaktionär scheinende Frauenrolle des Opus Dei wird genauso hinterfragt und mit Aussagen von Mitgliedern und Ex-Opus Dei-Anhängern illustriert, wie die mit vielen Spekulationen verbundenen finanziellen Verhältnisse des Werks. Die Gerüchte, das Opus Dei verfüge über große Reichtümer, konnte bei Prüfung der Zahlen für 2002 und 2003 nicht bestätigt werden. Strenge Unterscheidungen, die vom Werk selbst vorgenommen werden, trennen das Vermögen sogenannter korporativer Werke vom eigentlichen Vermögen dieser Organisation. Selbst wenn beides addiert wird, fehlt immer noch jede Spur besonderer monetärer Wohlhabenheit. Zu den korporativen Werken, also Unternehmen, die von Mitgliedern des Opus Dei geleitet werden, zählen auch Universitätsgründungen (bspw. die Universidad de Navarra, Pamplona) sowie verschiedene Schulen und Ausbildungszentren weltweit. Dass diese, entgegen den Befürchtungen, nicht als Nachwuchszucht verstanden werden können, obwohl christliche Schulungsangebote natürlich vorhanden sind, zeigen wiederum die von Allen zusammengetragenen Zahlen von Auszubildenden, Schülern und Studenten einerseits und andererseits von Absolventen, die sich schließlich für eine Mitgliedschaft im Opus Dei entscheiden.
Anderen gängigen Vorwürfen wie vermuteten politischen Einflüssen, aggressiver Mitgliederwerbung, der Gehirnwäsche als Methode in Form von Gedanken- und Verhaltenskontrolle, der nicht immer klaren Rolle zur Amtskirche sowie der Geheimhaltung interner Vorgänge geht Allen ebenso akribisch nach. Dass psychischer Druck auf einzelne Mitglieder oder Interessenten ausgeübt wurde, wird dabei keineswegs unterschlagen.
Das Buch des katholischen Journalisten John L. Allen nimmt somit jedwede Polemik auf, ohne zu polemisieren und beschäftigt sich ausgiebig mit allen Aspekten des Werkes. Dazu reiste der Autor ein Jahr um die Welt und es gelang ihm, mit zahlreichen Opus Dei-Mitgliedern, vom Prälaten bis zu Hilfsnumerariern, sowie mit Ex-Mitgliedern ausgiebige Interviews zu führen. Dabei kommen immer auch unliebsame Punkte zu Sprache, wie die nun wohl aufgegebene Praxis, in Opus Dei-Zentren die Post der darin lebenden Numerariern zu kontrollieren.
Das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen. Allen ist es mit einem Jahr der Recherche gelungen, durch die Mitarbeit von Vertretern aller Fronten in der Debatte um das Werk, ein Buch zu schreiben, dass zukünftig in der öffentlichen Diskussion nicht ausgelassen werden kann.
Wenn die Zukunft des Opus Dei nur mit mehr Transparenz gestaltbar ist, wie der Autor im Ausblick des Buches konstatiert, dann handelt es sich bei diesem spannend geschriebenen Werk um einen Meilenstein auf dem Weg dorthin. Der Untertitel hält in jedem Fall, was er verspricht.

Mason, Asenath, Das Buch Mephisto. Ein Grimoire des Linkshändigen Pfades, Edition Roter Drache: Rudolstadt 2006. 80 S., ISBN 3-939459-02-X, 10,00 €.


Nachdem mit The Book of Mephisto bereits eine englischsprachige Ausgabe in der Edition Roter Drache veröffentlicht wurde, ist dieses kleine feine Werk nun auch in deutscher Sprache erhältlich.
Und wie der Titel es verspricht, ist dieses Buch ausschließlich einer Entität gewidmet: Mephistopheles.
Ausgangspunkt der Forschungen von Asenath Mason zu und um Mephistopheles ist sein Erscheinen in der faustischen Tradition. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den beiden exponiertesten Literaten dieser Überlieferungslinie: Christopher Marlowe und Goethe. Aber auch neuere Werke, wie Michail Bulgakows Der Meister und Margarita werden von Asenath Mason berücksichtigt. Die Autorin führt Mephistopheles aus dieser Sichtweise ein und seziert ihn nach seinen verschiedenen, mal explizit, mal implizit ausgesprochenen Funktionen und Erscheinungsweisen. So kann Mephistopheles als Initiator, Lehrer und Wegweiser des Linkshändigen Pfades verstanden werden. Er ist Widersacher, Mittler zwischen Mensch und Sitra Ahra, Herr der Schatten und der Schwarze Mann des Sabbats. Zudem kann er als Drache verstanden werden, denn, so ist zu lesen, erschien er dem Faust einmal in dieser Gestalt.
Zudem sind verschiedenste Erscheinungen, die mit Mephistopheles einhergehen, untersucht, so im Zusammenhang mit dem Hexensabbat das Auftauchen von häufig beschriebenen Begleitern: Incubus und Succubus. Als Mittler hingegen erscheint er mit den Eigenschaften des Tricksters, was die Autorin durch Parallelen mit Hermes/Merkur aufzeigen kann. Weitere spannende Überlegungen findet Mason im Vergleich des yezidischen Melek Taus mit Mephistopheles.
Weitere Wege der Annäherung bestehen in tiefenpsychologisch inspirierten Denkübungen, die sich um die Schattenseite des Menschen drehen. C. G. Jung gab für diesen Teil des Buches die Inspiration. Mephistopheles erscheint hier als Begleiter (psychopompos), gilt es die Finsternis mit Erkenntnis zu durchdringen und dann in Kenntnis dieser dunkle Seite diese auch zu integrieren.
Diese Geschichten des Doktor Faust klopft die Autorin geistreich auf ihren initiatorischen Gehalt im Allgemeinen und auf den einer schamanischen Initiation im speziellen ab. Bei Marlowe wird Faustus nach eine 24-jährigen Vorbereitungszeit von den Dämonen ergriffen und zerfetzt, ähnlich wie es in schamanischen Kulten üblich ist. Der Autor bleibt dem Publikum schuldig, ob diese Initiation in eine gottgleich kreative Neuexistenz führt. Zumindest ist das Zerreißen des Protagonisten als Vollendung der Einweihung einleuchtend, die Goethe in seiner Version auslässt. Hier geht die Geschichte anders aus. Die Initiation des Doktor Faust wird nicht vollendet, nein, der Herrgott errettet ihn und nimmt ihn zu sich. Aber das ist eine andere Geschichte...
Mephistos Lehrerschaft dem Menschen gegenüber beginnt dabei klassisch mit einem Pakt, den der Mensch mit seinem Blut besiegelt, um von Ersterem den Zugang zu den von Gott verborgenen Geheimnissen zu erhalten. Dabei handelt es sich einmal mehr um den Kern des linkhändigen Pfades: dieses göttliche Wissen zu erkennen und zu nutzen und so selbst zu Gott zu werden.
Mit diesen Ausschnitten aus dem eher theoretischen Teil hat sich der Inhalt des Werkes allerdings noch lange nicht erschöpft.
Da es sich in erster Linie um ein Praxis-Buch handelt, in dem es vor allem um den erfahrbaren Zugang zu Mephistopheles geht, finden sich natürlich eine Menge ritueller Vorschläge in dem Band. Ein Ritus des Widersachers beispielsweise, in welchem man sich der Kraft des Mephistopheles öffnet und sich mit dieser verbindet. Oder es gibt Schattenmeditationen, Traumarbeit, einen Sabbat-Zauber, einen Zugang zu der Ebene der Dunklen Mütter mithilfe von Mephistopheles und vieles andere mehr.
Selbstredend, dass in diesem Buch keine rituellen Kopfgeburten präsentiert werden. Neben ihrer Beschäftigung als Schriftstellerin und Dark Fantasy Künstlerin praktiziert die Autorin seit Jahren selbst die Dunklen Künste. Sie ist Leiterin der Loge Magan, der polnischen Loge des in Schweden beheimateten Ordens Dragon Rouge.
Das Buch ist mit klassischen Interpretationen der Mephistopheles-Gestalt bebildert (Hans Baldung Grien, Eugene Delacroix); zudem steuerte die Autorin selbst Darstellungen bei, wie die den Titel des Buches zierende Maske.
Wie im Untertitel treffend erzählt, ist dieser schmale Band tatsächlich ein Grimoire, auch wenn die Proklamation, ein solches zu schreiben, in erster Instanz Zweifel aufkommen lassen könnte. Diese verflüchtigen sich sehr schnell und weichen mit jeder gelesenen Seite einem wachsenden Erstaunen, wie qualitativ hochwertig doch achtzig Seiten sein können und das sowohl in theoretischer als auch in praktischer Hinsicht.
Mephistopheles ist zurück.

Karlsson, Thomas, Kabbalah, Qliphot und die Goetische Magie, Edition Roter Drache: Rudolstadt 2006, Broschur, 208 S.,
ISBN 3-939459-01-1, 20,00 €.


Wenn bisher die Kabbalah thematisiert wurde, waren in endlosen Wiederholungen die zentrale Glyphe, der Baum des Lebens und seine Sephiroth in ihren vielschichtigen Korrespondenzen abgehandelt. Dass es zu diesem als lichtem Positivum der Schöpfung Gedachten ein dunkles Gegenstück gibt, wurde zumeist lediglich erwähnt, wenn überhaupt. Versehen mit mehr oder weniger expliziten Warnungen vor Schäden an Leib und Seele war der Informationsgehalt für den Studierenden dunkler Mysterien zumeist gleich Null. Die angstvolle Verdrängung des schattigen Potentials und dessen Erforschung auf kabbalistischem Gebiet ist dabei natürlich keine Ausnahme; bewältigungsfreies Agieren zieht sich durch fast alle mystisch-magischen Traditionen.
Dieser Missstand, wenn er denn aus Mangel an Material überhaupt als solcher wahrgenommen wurde, ist nun aus der Welt. Mit dem Werk von Karlsson gibt es nun endlich ein Buch, dass sich (fast) ausschließlich mit der Sitra Ahra, der anderen Seite des Lebensbaumes, beschäftigt. Fokussiert auf den dunklen Aspekt kabbalistischer Mystik kann das Werk auch als Einführung in diese Lehre dienen, da beide Seiten als sich ergänzend gesehen werden können und vielfach zur besseren Veranschaulichung der qliphotischen Prinzipien die Sephiroth herangezogen sind. Aus verschiedensten Quellen zusammen getragen und praktisch erprobt setzt der Autor so einen Meilenstein moderner kabbalistischer Forschung. Ausführlich werden die kulturhistorische und die initiatorische Bedeutung der dunklen Seite aufgezeigt. Detailliert und gründlich beschreibt Karlsson die zehn Qliphoth, die Gegenstücke der Sephiroth, und die 22 Pfade, die diese miteinander verbinden. Jede Qlipha wird von Dämonen beherrscht, die in die entsprechenden Erfahrungswelten einführen können. Anders als die Arbeit mit der lichten Seite, die eine Verschmelzung mit dem Göttlichen unter Aufgabe der eigenen Identität anstrebt, geht der Adept der dunklen Seite den Weg der Vertiefung des Dualismus und der Entfernung vom lichten göttlichen Prinzip, um schlussendlich mithilfe drakonischer Wesen über das lichte (und nachgeordnete Göttliche) hinaus zu gelangen.
Angeführt werden qliphotische Anrufungen von Naamah (Lilith), Lilith (Gamaliel), Adramelech (Samael) und Baal (A’arab Zaraq), mithilfe derer man sich mit den dunklen Prinzipien der ertsen Qliphoth rituell vertraut machen kann. Dazu kann ein vorgeschaltetes Öffnen der Tore durchgeführt werden, das ebenfalls ausgearbeitet Bestandteil dieses erstaunlichen Buches ist. Zudem findet sich eine Anleitung zur Bereisung der Pfade (selbst entsprechende Glyphen sind dargestellt) und einiges Beispielhafte an persönlichen Eindrücken von Weggefährten des Autors.
Wann immer der linkshändige Pfad dargestellt wird, darf dabei eine erkenntnistheoretische Diskussion zum Problemkreis «das Böse» nicht fehlen. Die liefert Karlsson seriös und äußerst geistvoll, indem er geschickt philosophische, religionswissenschaftliche und psychologische Gedanken zu verknüpfen weiß, die, wie sollte es hier anders sein, auf praktischer Anschauung fußen. Eine weitere hirnerweichend akademische Debatte muss also nicht befürchtet werden, im Gegenteil.
Als wenn es damit des Guten (oder Bösen) nicht genug wäre, wartet das Werk mit einem weiteren thematischen Teil zur goetischen Magie auf. Auch dieses Gebiet wird durch den Autor kenntnisreich beleuchtet. Neben der Vielzahl von aufgezeigten Zusammenhängen sind sicherlich die zwischen den Dämonen salomonischer Schriften und den Bewohnern der Qliphoth zentral. Auch dieser Teil ist durch praktische Anleitungen zu rituellem Umgang, Namens- und Glyphenverzeichnis sowie Erfahrungsberichte komplettiert.
Der Autor Thomas Karlsson ist Mitbegründer des schwedischen Ordens Dragon Rouge, der seit einiger Zeit auch in Deutschland existiert. Der neugegründeten Edition Roter Drache in Rudolstadt, dem sicherlich nicht nur namentlich nahestehend, kann zu diesem Buch nur gratuliert werden, verbunden mit dem Wunsch, dass in diesem Verlag noch eine Vielzahl derart hochwertiger Werke veröffentlicht werden kann.
Ein bisher einzigartiges Werk also, das in magischen Sammlungen und Bibliotheken nicht fehlen sollte.

Karlsson, Thomas, Adulruna und die gotische Kabbala, Edition Roter Drache: Rudolstadt 2007, Softcover, 140 S., ISBN 978-3-939459-04-0,
16,00 €.


Wer ist eigentlich Johannes Bureus? Und was sind die Adulrunen? Wahrscheinlich werden die wenigsten Leser bisher mit dem Namen und dem Begriff etwas anzufangen wissen. Das könnte sich jetzt, nach der Veröffentlichung des neuen Buches von Thomas Karlsson, ändern. Der nämlich. schwedischer Autor, Mitglied des Dragon Rouge und Religionswissenschaftler, promoviert derzeit zu Bureus und dessen Runensystem. Und so kommt ein weitestgehend unbekanntes, wenngleich sehr spannendes Thema an den interessierten Leser.
Nachdem Karlsson bereits im vergangenen Jahr für sein Buch „Kabbalah, Qliphot und die Goetische Magie“ viel Anerkennung ernten konnte, ist das nun die nächste Produktion seiner Feder. Und auch dieses Mal erscheint sein Werk in der beachtenswerten Edition Roter Drache, die mit verhältnismäßig wenigen Veröffentlichungen qualitativ bereits in die Oberliga magischer Verlage aufgestiegen ist.
Doch zurück zum jüngst erschienenen Werk.
Johannes Bureus (1569–1652) war ein von rosenkreuzerischen Manifesten und den Schriften des Paracelsus begeisterter schwedischer Gelehrter. Ebenso muss er, was aus seinem Werk hervorgeht, von John Dee inspiriert gewesen sein. Daneben gilt der Archivar Bureus als Vater der schwedischen Grammatik, bedeutender Linguist und war Erzieher des schwedischen Königs Gustav II. Adolf.
Dieser Bureus hat ein völlig eigenes esoterisches System hinterlassen, in welchem Runen, kabbalistische Methodik, Alchemie, die Ideen der Rosenkreuzer und die Lehren des Paracelsus miteinander verbunden sind. Dieses System benannte er Gotische Kabbala oder aber, nach der Zentralglyphe der Lehre, Adulruna. Aus diesem Symbol lassen sich 15 Runen ableiten, die in folgende drei Gruppen á fünf Runen zerfallen: der Erzeuger, der Geburts- und der Nachkommensfünfer.
Neben dieser Unterteilung hat jede Rune drei Bedeutungsebenen: eine offenbare, eine esoterische (die Adulrunen) und eine innerste Dimension (die Alrunen). Die Zeichen sind dabei ursprüngliche Vermittler zwischen dem Schöpfer und der Schöpfung. Damit zeichnet sich eine Trinität aus, wie die Zahl 3 in der Gotischen Kabbala allgemein zentral zu sein scheint. Zudem konstruierte Bureus ein Runenkreuz aus den 15 Runen, in dem sich die Schöpfungsgeschichte, die Existenzebenen, die Passion Christi, der Trinitätsgedanke sowie ein initiatorischer siebenstufiger Pfad verschlüsselt finden. Und damit ist der mystische Gesamtgehalt des Symbols für die Rezension gerade angerissen...
Ebenso komplex ist die oben schon erwähnte Adulrune, welche die drei Schöpfungsebenen als Makro- und Mikrokosmos abbildet.
Zu diesem System sind zwei maßgeblichen Ausarbeitungen Bureus´ in Manuskriptform überliefert, die Thomas Karlsson als Grundlage seiner Forschung benutzt, neben weiteren Texten, die als Ergänzung von Zusammenhang und Verständnis dienen. Die grundlegenden Titel sind die „Antiquitates Scanziana“ und die „Adulruna rediviva“.
Bureus´ Arbeit ist natürlich auch in einen größeren zeitgenössischen Rahmen eingebettet, den Gotizismus. Diese Strömung, so Karlsson, die meist mit schwedischen Großmachtsphantasien assoziiert wird, lieferte Bureus Motive, die er mit seinen esoterischen Vorstellungen zu verbinden vermocht. Etwa wenn er die drei Kronen des schwedischen Wappens konsequent auf den Trinitätsgedanken bezogen sieht.
Gotizismus, Runen, altnordische Themen, Rosenkreuzertum, Alchemie und weitere, schon genannte Gebiete erfuhren eine sehr eigenwillige Synthese in Bureus´ Werk, das in der Beschreibung eines individuell gangbaren Initiationsweges gipfelt, der stufenweise zu einer Verbindung mit Gott führt.